„So lasst uns den HERRN erkennen, ja, lasst uns nach Seiner Erkenntnis trachten! Sein Hervortreten ist sicher wie die Morgendämmerung; und Er wird für uns kommen wie der Regen, wie der Spätregen die Erde benetzt.“ (Hos. 6,3)
Für den Menschen gibt es nichts Wichtigeres, als Gott, seinen Schöpfer, zu kennen. Ja, Jesus sagt sogar, dass genau darin das ewige Leben besteht, dass man den allein wahren Gott und Seinen Sohn Jesus Christus erkennt (Joh.17,3). Im Umkehrschluss verfällt der Mensch in große Gottlosigkeit und erleidet die ewige Verdammnis, wenn er den wahren Gott und Seinen Sohn Jesus Christus nicht erkannt hat.
Genau darin lag das Problem des Volkes Israel. Das Volk Israel ging sowohl geistlich als auch moralisch zugrunde, weil sie ihren Gott nicht mehr kannten (Hos. 4,6). Aus diesem Grund fordert der Prophet das Volk hier dazu auf, zu dem Herrn, Jahwe, umzukehren und Ihn zu erkennen. Anknüpfend an diese Aufforderung spricht der Prophet zugleich eine wundervolle Verheißung aus, dass Gott sich ihnen genauso sicher offenbaren wird wie das Hervortreten der Morgendämmerung, wenn sie Ihn aufrichtig suchen.
Nun, was für die Israeliten damals galt, gilt auch für uns heute: Wenn wir Gott nicht mehr kennen, dann gehen wir geistlich und moralisch zugrunde. Unser Land ist das Paradebeispiel dafür. Damit wir also geistlich und moralisch stark sind, brauchen wir eine richtige Gotteserkenntnis.
Und wenn wir nach Gott forschen und nach Seiner Erkenntnis trachten, gilt diese Verheißung auch uns, dass Gott sich uns offenbaren wird.
In der letzten Ausgabe dieses Magazins haben wir bereits gelernt, dass der einzige Weg, wie wir Gott erkennen können, in der geschriebenen Offenbarung Gottes besteht. Weil Gott Sich durch Sein Wort offenbart hat, können wir Ihn, Sein Wesen, Seine Eigenschaften, Seinen Willen und Seine Herrlichkeit erkennen. Aus diesem Grund erklärt Louis Berkhof richtig: „Wahre Gotteserkenntnis kann nur durch die göttliche Selbstoffenbarung erlangt werden, und zwar nur von dem Menschen, der diese mit kindlichem Glauben annimmt.“1 Daher sind diese zwei Aspekte notwendig: Die Selbstoffenbarung Gottes und der kindliche Glaube des Menschen an das, was Gott über Sich selbst offenbart hat. Und so wollen wir nun mit kindlichem Glauben die göttliche Selbstoffenbarung betrachten, indem wir auf drei Dinge eingehen werden: erstens die Namen Gottes, zweitens die Eigenschaften Gottes und drittens die Natur Gottes.
Der deutsche Theologe Eduard Böhl erklärt sehr anschaulich: „Wir können nicht in die Sonne sehen, ohne geblendet zu werden; daher sendet uns die Sonne ihre Strahlen. Ganz ähnlich verhält es sich mit Gott: Wir können nicht in Sein Wesen hineinblicken; deshalb tut Er uns Seine Namen und daneben gewisse Eigenschaften kund, die als einzelne Strahlen Seines Wesens die menschliche Finsternis erleuchten.“2 Und so wollen wir nun eintauchen in die unergründlichen Tiefen der Gottheit, um dadurch getröstet, gestärkt, ermutigt und geheiligt zu werden.
1. Die Namen Gottes
In der hebräischen Kultur hatten die Namen in der Regel immer eine tiefe Bedeutung. Der Name drückte das Wesen oder auch die Eigenschaften einer Person aus (1.Mose 17,5). Genauso sind auch die Namen Gottes eine Offenbarung seines Wesens und seines Charakters. Die Bibel nennt uns sehr viele Namen Gottes. Es würde den Rahmen sprengen, jeden dieser Namen zu untersuchen; daher wollen wir uns auf die zwei bedeutendsten und häufigsten Namen Gottes beschränken.
EL
Der Name Gottes, der von Anfang an in der biblischen Offenbarung erscheint, ist der Name „El“ (1.Mose 1,1). Die Bedeutung dieses Namens ist nicht ganz klar. Vermutlich beschreibt er Stärke, Erhabenheit, Macht und Majestät. So bedeutet der Name „Elyon“ „Gott der Höchste“ (Ps.97,9) oder der Name „El – Shaddai“ „Gott der Allmächtige“ (1.Mose 17,1).
Dieser Name „El“ sollte in uns Anbetung, Ehrfurcht und Staunen hervorrufen. Denn dieser Name offenbart uns das höchste, mächtigste und furchteinflößendste Wesen, das es gibt (5.Mose 10,17). Gleichzeitig sollte dieser Name in all denen, die an Ihn glauben, Trost, Hoffnung und Sicherheit bewirken (5.Mose 7,21). Denn wenn dieser große, furchteinflößende und allmächtige Gott für uns ist, wer kann dann noch gegen uns sein?
JAHWE
Der wohl bekannteste und am häufigsten verwendete Name Gottes im Alten Testament (über 6800-mal)ist der Name „Jahwe“. Der Name „Jahwe“ (in der deutschen Übersetzung mit „HERR“ wiedergegeben) kommt bereits zum ersten Mal in 1.Mose 2,4 vor. Doch in 2.Mose 3,14 offenbart Gott sich mit diesem Namen zum ersten Mal selbst, als er zu Mose sagte: „Ich bin der ich bin“. Der Name „Jahwe“ wird von dem hebräischen Wort „sein“ oder „bin“ abgeleitet. Die Grundbedeutung des Namens „Jahwe“ ist daher „Gott ist“. Dieser Name impliziert, dass Gott schon immer war, dass Er gegenwärtig ist und immer sein wird. Dieser Name beschreibt die ewige Existenz Gottes und Seine Unwandelbarkeit. Er beschreibt, dass Gott in sich selbst existiert und von nichts und niemand abhängig ist. Er beschreibt die Einzigartigkeit Gottes. Dieser Name zeigt uns, dass alles Sichtbare und Unsichtbare durch Gott geworden ist (Kol. 1,16). Er zeigt uns aber auch, dass Gottes Wesen – und somit auch Gottes Wort – sich niemals verändert und somit konstant und wahr ist. Dieser Name zeigt uns, dass Gott und Sein Wort vollkommen vertrauenswürdig ist.
2. Die Eigenschaften Gottes
Neben den Namen Gottes gibt es noch eine zweite Quelle, die uns das Wesen Gottes offenbart: Und das sind Seine Eigenschaften. Bei den Eigenschaften Gottes unterscheidet man in der Theologie zwischen den nicht-mitteilbaren und den mitteilbaren Eigenschaften Gottes.
Die nicht-mitteilbaren Eigenschaften Gottes sind Eigenschaften, die nur Gott besitzt, und die er mit niemandem teilt – z.B. Seine Allwissenheit, Allgegenwart, Allmacht, Souveränität, Unwandelbarkeit oder Seine Ewigkeit. Das sind Eigenschaften, die niemand außer Gott besitzt. Diese Eigenschaften zeigen uns, dass Gott völlig andersartig ist, als alles Geschaffene. Sie zeigen uns, dass Gott heilig ist. Denn die Bedeutung des Wortes „heilig“ ist „abgesondert“. Gott ist weder mit einem Menschen noch mit einem Engel oder mit irgendeinem anderen Geschöpf zu vergleichen. Weshalb Gott in Jes. 40,25 zu Recht fragt: „Wem denn wollt ihr mich vergleichen, dem ich gleich wäre?, spricht der Heilige.“
Die mitteilbaren Eigenschaften Gottes sind Eigenschaften, die Gott besitzt, die aber auch wir Menschen besitzen können -z.B. Liebe, Güte, Freundlichkeit, Geduld, Gerechtigkeit usw. Das sind Eigenschaften Gottes, die Er den Menschen übertragen hat und mit ihnen teilt. Sie zeigen uns, dass wir Menschen im Ebenbild Gottes geschaffen wurden (1.Mose 1,26). Im Gegensatz zu den nicht- mitteilbaren Eigenschaften Gottes, schaffen die mitteilbaren Eigenschaften eine gewisse Verbindung zwischen Gott und Mensch. Sie machen Gott ein wenig nahbarer und greifbarer für den Menschen. Sie zeigen uns:
Obwohl Gott so erhaben und unendlich weit weg für uns ist, kümmert Er sich, ist Er besorgt und gießt Seine Liebe über Seine Geschöpfe aus.
Alle Eigenschaften Gottes werden in dem Kreuz Jesu vollkommen offenbart. Denn dort sehen wir die Erhabenheit und Heiligkeit Gottes, indem Er Sünde bestrafen muss. Gleichzeitig sehen wir seine Barmherzigkeit und Liebe, indem Er Seinen eigenen Sohn für Sünder hingegeben hat. Somit geben uns sowohl die nicht mitteilbaren, als auch die mitteilbaren Eigenschaften Gottes einen tiefen und wertvollen Einblick in das Wesen Gottes.
3. Die Natur Gottes
Abschließend wollen wir noch eine dritte Quelle untersuchen, die uns das Wesen Gottes offenbart, und das ist die Natur Gottes. Die Bibel lehrt deutlich, dass Gott nicht einen Körper besitzt wie wir Menschen. Jesus selbst lehrt unmissverständlich: „Gott ist ein Geist.“ (Joh. 4,24) Da Gott Geist ist, ist Er unsichtbar (1.Tim. 1,17). Dies wiederum hat zur Folge, dass keiner der Menschen Gott gesehen hat, noch sehen kann (1.Tim. 6,16). Als Geist ist Gott nicht gebunden an Raum und Zeit wie wir Menschen. Diese bewundernswerte Tatsache bestaunt David, wenn er schreibt: „Wohin sollte ich gehen vor deinem Geist und wohin fliehen vor deinem Angesicht? Führe ich auf zum Himmel: Du bist da; und bettete ich mich im Scheol: Siehe, du bist da.“ (Ps. 139,8) Die Natur Gottes ist also weder sichtbar noch greifbar für den Menschen.
Und doch hat Gott einen Weg geschaffen, um Sich selbst zu offenbaren, damit der Mensch Ihn erkennen möge: nämlich in Seinem Sohn Jesus Christus. Denn über Christus heißt es, dass er „das Bild des unsichtbaren Gottes ist.“ (Kol. 1,15) Aus diesem Grund kann Johannes auch über Jesus sagen: „Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht.“ (Joh. 1,18) Weshalb Jesus zu Thomas sagt: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ (Joh 14,9) Gott, der Geist ist, den man nicht sehen kann, weil Er unsichtbar ist, ist offenbart im Fleisch, in der Person von Jesus Christus. Wenn wir also Gott sehen wollen, müssen wir auf Christus schauen, denn Er ist Gott – offenbart im Fleisch. „Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.“ (Kol. 2,9) Jeder, der also ein klares Verständnis über Gott haben will, muss Christus studieren: Seine Person, Sein Leben, Seine Eigenschaften, Seine Lehre, Sein Opfer.
Schlussfolgerung
Auch wenn diese kurze Betrachtung des Wesens Gottes niemals ausreicht, um ein umfangreiches Verständnis über das Wesen Gottes zu bekommen, konnten diese Strahlen Seines Wesens doch die Dunkelheit unseres Verstandes etwas erleuchten. Gott selbst sagt, dass es keine größere Erkenntnis gibt, als Ihn zu erkennen (Jer. 9,22-23). Daher möchte ich abschließend auf vier Auswirkungen der Erkenntnis Gottes eingehen:
1. Die Erkenntnis Gottes gibt dir Verstand
Salomo erklärt in Spr. 9,10: „Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang; und die Erkenntnis des Heiligen ist Verstand.“ Die Erkenntnis des höchsten Wesens und der höchsten Autorität des Universums öffnet den Verstand und die Einsicht des Menschen. Erst wenn wir Gott wirklich kennen, haben wir eine richtige Erkenntnis von allem anderen. Erst wenn wir eine richtige Erkenntnis über Gott haben, können wir Wissenschaft, Physik oder Mathematik richtig einordnen.
2. Die Erkenntnis Gottes stärkt dein Vertrauen
David lehrt in Ps. 9,11: „Und auf dich werden vertrauen, die deinen Namen kennen, denn du hast nicht verlassen, die dich suchen, HERR.“ Je mehr du den Namen – und somit das Wesen Gottes – kennst, umso mehr wirst du erkennen, dass für Ihn kein Ding unmöglich ist. Durch diese Erkenntnis wird dein Vertrauen, dein Glaube und deine Hingabe zu Gott wachsen.
3. Die Erkenntnis Gottes macht dich geistlich stark
Daniel ermutigt Gottes Volk in Dan. 11,32: „Und diejenigen, die gottlos handeln gegen den Bund, wird er durch Schmeicheleien zum Abfall verleiten; aber das Volk, das seinen Gott kennt, wird sich stark erweisen und handeln.“ Je größer unsere Gotteserkenntnis, umso stärker sind wir geistlich. Diejenigen, die ihren Gott kennen, werden selbst unter einer antichristlichen Regierung stark sein, Ihm gehorchen, Seinen Willen tun und Ihm folgen, egal was es sie kostet.
4. Die Erkenntnis Gottes hilft dir auszuharren
Paulus erklärt in 2.Tim. 1,12: „Aus diesem Grund leide ich dies auch; aber ich schäme mich nicht, denn ich weiß, wem ich geglaubt habe, und bin überzeugt, dass er mächtig ist, das ihm von mir anvertraute Gut auf jenen Tag zu bewahren.“ Wenn wir den kennen, an den wir glauben und ein richtiges Wissen über Ihn haben, werden wir selbst in den größten Bedrängnissen ausharren. Je mehr wir also Gott kennen, umso weiser werden wir, umso größer wird unser Vertrauen, umso stärker werden wir geistlich und umso mehr werden wir in Anfechtungen ausharren.
Ein Artikel von Richard Friesen, Pastor der EBC Waiblingen
[1] Louis Berkhof – Systematic Theology (Banner of Truth 2019), S.15
[2] Eduard Böhl – Dogmatik (Hänssler 1995), S.81