Die Inspiration, Irrtumslosigkeit und Allgenugsamkeit der Schrift

„Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn, den er gesetzt hat zum Erben aller Dinge, durch den er auch die Welten gemacht hat.“
Hebräer 1,1-2

In diesen Versen haben wir eine der bemerkenswertesten Aussagen der ganzen Heiligen Schrift: „Gott hat geredet.“ Im alten Bund hat Gott auf vielerlei Weise durch Seine Propheten geredet. Doch am Ende dieser Zeit, im neuen Bund, hat Gott durch Seinen eigenen Sohn zu uns geredet. Wir lesen oft unbedacht über diese Verse und vergessen dabei schnell, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass Gott zu uns geredet hat. Es sollte uns immer wieder ins Staunen versetzen, darüber nachzudenken, dass die geschriebene Offenbarung der Bibel Gottes Reden zu den Menschen ist. Denn, dass Gott zu den Menschen durch geschriebene Worte geredet hat, ist ein Ausdruck Seiner Gnade und Liebe zu uns. Hätte Gott nicht zu uns geredet, wäre es dem Menschen unmöglich, eine rettende Erkenntnis über Gott zu erlangen. Daher ist es richtig, was in Kapitel 1.1 des Baptistischen Glaubensbekenntnisses von 1689 steht: „Die Heilige Schrift ist die einzig ausreichende, sichere und unfehlbare Richtlinie für alle zum Heil notwendige Erkenntnis, für den rettenden Glauben und den Glaubensgehorsam.“ Doch in welcher Weise hat Gott sich dem Menschen offenbart? Und woher können wir wissen, dass diese Offenbarungen Gottes wirklich zuverlässig sind?

Wie hat Gott sich offenbart?

In der Theologie unterscheidet man zwischen der allgemeinen Offenbarung Gottes und der speziellen Offenbarung Gottes. Wenn wir von der allgemeinen Offenbarung Gottes reden, sprechen wir von der Schöpfung, in der Gottes ewiges Wesen und Seine unendliche Kraft erkannt werden. Anhand dieser Offenbarung erkennt jeder Mensch, dass es einen intelligenten Schöpfer geben muss (Psalm 19; Römer 1,18-23). Wenn wir jedoch von der speziellen Offenbarung Gottes reden, dann sprechen wir davon, dass Gott sich durch Sein Wort offenbart hat. Durch diese spezielle Offenbarung erkennen wir nicht nur, dass es einen Gott geben muss, wir erkennen auch, wie dieser Gott ist (Hebr 1,1-3; 2. Petrus 1,21). Mit anderen Worten, die allgemeine Offenbarung lässt uns erkennen, dass es ein intelligentes Wesen gibt, durch das alles erschaffen wurde. Die spezielle Offenbarung hingegen gibt uns einen persönlichen Einblick, wer und wie dieses intelligente Wesen ist.

Lasst mich den Unterschied dieser beiden Offenbarungen an einem Beispiel verdeutlichen. Stell dir ein Gemälde vor. Wenn du vor diesem Gemälde stehst, kannst du durchaus erkennen, dass hinter diesem Gemälde ein Künstler steckt, ein intelligentes Wesen. Doch das Gemälde sagt noch nichts über den Künstler aus. Nun hat der Künstler dieses Gemäldes aber eine Biografie über sich geschrieben. In dieser Biografie erfährst du, wie der Künstler heißt, wie seine Kindheit war, du erfährst mehr über ihn als Person und wirst mit seinen Eigenheiten und Charakterzügen vertraut. Somit hast du in dem Gemälde eine allgemeine Offenbarung über den Künstler, doch erst seine Biografie gibt dir eine spezielle Offenbarung über ihn als Person. So verhält es sich mit der Offenbarung Gottes. In der Schöpfung haben wir eine allgemeine Offenbarung über Gott, doch in Seinem Wort haben wir eine spezielle Offenbarung über Ihn als Person.

Daher können wir sagen, dass der Mensch Gott nur insofern erkennen kann, wie Gott sich ihm in Seinem Wort zu erkennen gibt. Und, dass Gott sich dem Menschen durch verbales und geschriebenes Wort offenbart hat, ist ein Akt höchster Güte und Gnade. Denn durch diese geschriebene Offenbarung Gottes erkennt der Mensch erst, dass er erlösungsbedürftig ist, und zudem wird ihm darin auch gezeigt, wie er erlöst werden kann und in diesem erlösten Stand leben kann. Auf diesem Wege hat Gott sich also offenbart: zum einen durch Seine Schöpfung, aber vor allem durch Sein Wort.

Ist die geschriebene Offenbarung Gottes zuverlässig?

Nachdem wir gesehen haben, wie Gott sich offenbart hat, ist als nächstes zu klären, woher wir wissen können, dass diese geschriebene Offenbarung zuverlässig ist. Auf diese Frage möchte ich eingehen, indem ich im Folgenden die drei wichtigsten Aspekte der speziellen bzw. geschriebenen Offenbarung Gottes beleuchte.

1. Die Inspiration der Schrift

Lasst uns zuerst darauf eingehen, inwiefern Gott Sein Wort, also die spezielle Offenbarung, niedergeschrieben hat. Dieses Thema kann auch mit dem Begriff Inspiration überschrieben werden. In 2. Timotheus 3,16 heißt es: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit.“ Hier wird gesagt, dass Gott alle Schrift eingegeben hat. Gott ist also der Autor der ganzen Heiligen Schrift, die aus 66 Büchern besteht. Das Wort „eingegeben“, das Paulus hier gebraucht, bedeutet wörtlich „gehaucht“. Man könnte auch übersetzen: „Alle Schrift ist gottgehaucht“. Das bedeutet, das Wort Gottes ist unzertrennlich mit Gott selbst verbunden. Ja, das Wort Gottes ist Gott, weshalb Johannes in seinem Evangelium sagen kann: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“ (Joh. 1,1). Daher sprechen wir auch von dem Wort Gottes oder von der Heiligen Schrift. Die Bibel unterscheidet sich eben deshalb von allen anderen Büchern dieser Welt: Gott ist ihr Autor. Doch wie genau ließ Gott Sein Wort niederschreiben? Die Inspiration von Gottes Wort geschah durch den Heiligen Geist, der dritten Person unseres dreieinigen Gottes. Petrus schreibt in seinem zweiten Brief in Kapitel 1,21: „Denn die Weissagung wurde niemals durch den Willen des Menschen hervorgebracht, sondern heilige Menschen Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geist.“ Hier wird uns der Prozess der Entstehung der Heiligen Schrift beschrieben. Heilige Männer, geleitet und inspiriert durch den Heiligen Geist, schrieben Gottes Wort nieder. Deshalb kann David, der König Israels, der viele Psalmen geschrieben hat, auch folgendes sagen: „Der Geist des HERRN hat durch mich geredet, und sein Wort war auf meiner Zunge“ (2. Sam 23,2). Dabei dürfen wir aber nicht denken, dass der menschliche Schreiber während dieses Vorgangs abwesend oder hypnotisiert war. Nein, der Schreiber war während des Schreibens bei vollem Bewusstsein, während der Heilige Geist die jeweiligen Persönlichkeiten und Eigenschaften des Schreibers berücksichtigte und gebrauchte. Aus diesem Grund können wir auch gewisse Unterschiede in den einzelnen Bibelbüchern erkennen, die auf die Persönlichkeiten der Schreiber zurückzuführen sind.

Der Heilige Geist berücksichtigte also bei der Inspiration die Persönlichkeit des Schreibers und achtete darauf, dass die Worte Gottes vollkommen irrtumslos niedergeschrieben wurden. Daher können wir die Inspiration der Schrift folgendermaßen definieren: Die Inspiration der Bibel ist der Vorgang, in dem Gott durch Seinen Heiligen Geist Männer befähigte und ihre Persönlichkeit berücksichtigte, um Sein Wort in menschlicher Sprache niederzuschreiben. Und eben, weil die Heilige Schrift von Gott selbst inspiriert ist, muss die Heilige Schrift zwangsweise irrtumslos sein, wie wir im Folgenden sehen werden.

2. Die Irrtumslosigkeit der Schrift

Wenn wir von der Irrtumslosigkeit der Schrift sprechen, reden wir davon, dass die Bibel keine Fehler enthält. Das bedeutet, dass die Bibel sich nicht widerspricht und, dass in der Heiligen Schrift keine Irrtümer enthalten sind. Das Wesen Gottes verlangt danach, dass auch das Wort Gottes irrtumslos ist, denn es heißt in 4. Mose 23,19 über Gott: „Nicht ein Mensch ist Gott, dass er lüge, noch ein Menschensohn, dass er bereue. Sollte er sprechen und es nicht tun, und reden und es nicht aufrechterhalten?“ Weil Gott nicht lügen kann, kann auch kein Irrtum in Seinem Wort enthalten sein. Zudem zeugt das Wort Gottes selbst davon, dass es irrtumslos ist: „Die Worte des HERRN sind reine Worte – Silber, das geläutert im Schmelztiegel zur Erde fließt, siebenmal gereinigt“ (Psalm 12,7; siehe auch Spr. 30,5). Schließlich bestätigt Jesus die Irrtumslosigkeit der Schrift, wenn er in Johannes 17,17 betet und sagt: „Dein Wort ist Wahrheit.“ Dass Gottes Wort Wahrheit ist, bedeutet, dass keine Lüge und keine Irrtümer darin enthalten sind. Wäre die Schrift nicht irrtumslos, hätten wir keine Wahrheit. Hätten wir keine Wahrheit, hätten wir keine Hoffnung und wären gänzlich verloren. Zu beachten ist an dieser Stelle, dass das Wort „irrtumslos“ nicht nur ausdrückt, dass etwas ohne Fehler ist, dieses Wort drückt vielmehr aus, dass etwas keine Fehler enthalten kann.

Es gibt unterschiedliche Belege, die deutlich machen, dass Gottes Wort die Wahrheit und somit irrtumslos ist. Lasst mich kurz drei Belege nennen. Erstens: Die Bibel ist die einzige Quelle, die uns sagt, wie die Erde entstanden ist, woher der Mensch kommt und wozu der Mensch lebt. Zweitens: Zudem wurde die Bibel von über 40 Autoren in einem Zeitraum von 1600 Jahren geschrieben. Doch trotz dieser großen Differenz widersprechen sich die Autoren nirgends, sondern ergänzen sich. Dadurch wird deutlich, dass hinter den vielen menschlichen Autoren ein Autor, der Heilige Geist, bei der Inspiration und Niederschrift von Gottes Wort wirkte. Drittens: Schließlich enthält die Bibel tausende Prophetien, die bereits exakt in Erfüllung gegangen sind. Wäre die Bibel nicht Gottes Wort, würden sich all die 40 Schreiber nicht ergänzen, sondern widersprechen. Wäre die Bibel nicht Gottes Wort, wäre es nicht möglich, dass sich so viele Prophetien exakt erfüllt haben. Doch da sich die Schreiber nicht widersprechen, und die Bibel deutliche und erfüllte Prophetie enthält, können wir wissen, dass die Bibel Gottes Wort, und somit irrtumslos ist.

Die Irrtumslosigkeit der Schrift können wir demnach folgendermaßen definieren: Die Irrtumslosigkeit der Schrift beschreibt die vollkommene Reinheit und die Abwesenheit jeglicher Irrtümer oder Fehler in der Heiligen Schrift.

Und eben, weil die Schrift von Gott inspiriert und deshalb auch irrtumslos ist, ist die Schrift ausreichend für alle Fragen des Glaubens und des Lebens, wie wir im letzten Punkt sehen werden.

3. Die Allgenugsamkeit der Schrift

Das Wort Gottes ist ausreichend, vollkommen oder auch allgenugsam. Das bedeutet, dass in der Bibel alles enthalten ist, was du für den Glauben und für das Leben wissen musst. Oder wie es Benedikt Peters formuliert hat: „In ihr steht alles, was der Sünder wissen muss, um selig zu werden und gottselig zu leben.“ [1]  Die Bibel lehrt uns alles über den Anfang aller Dinge (Schöpfung), sie lehrt uns alles über das Zentrum aller Dinge (Christus), sie lehrt uns alles über das Ende (Gericht) und über die Zukunft aller Dinge (Ewigkeit). Somit hat Gott uns in Seiner Gnade ein vollumfängliches und ausreichendes Werk in die Hand gegeben, in dem wir auf alle wichtigen Fragen dieses und des zukünftigen Lebens Antworten bekommen.

Welche Auswirkung sollte nun die göttliche Inspiration, die Irrtumslosigkeit und die Allgenugsamkeit der Heiligen Schrift auf dein Leben haben?

Erstens sollten wir uns bewusst sein, dass jeder, der die Inspiration, die Irrtumslosigkeit und die Allgenugsamkeit der Schrift leugnet, Gott zu einem Lügner macht (1. Joh 5,10). Wer Gott zu einem Lügner macht, stößt die einzige Quelle von sich, die ihn erlösen könnte.

Zweitens sollten wir das Wort Gottes nicht als Menschenwort, sondern als Gottes Wort annehmen (1. Thess 2,13). Gott redet zu uns, ob wir Sein Wort lesen oder es durch eine Predigt hören. Wenn Gott zu uns spricht, dann sollten wir auf Sein Reden immer mit Glauben und Gehorsam reagieren.

Drittens sollte der Glaube an die Inspiration, die Irrtumslosigkeit und die Allgenugsamkeit der Heiligen Schrift alle Bereiche deines Lebens bestimmen. Sie sollte dein Privatleben, dein Familienleben und dein Gemeindeleben bestimmen. All diese Bereiche müssen maßgeblich vom Wort Gottes bestimmt und geführt werden. Die Schrift allein sollte dir daher in diesen Bereichen dein erster und wichtigster Ratgeber sein. In einer Zeit, in der Politik und Gesellschaft versuchen, in alle Bereiche des Lebens einzugreifen, müssen wir Christen umso mehr die Heilige Schrift lesen und uns allein von ihr die Richtung weisen lassen.

Viertens solltest du die Heilige Schrift lieben. Jemand, der an die Inspiration, Irrtumslosigkeit und Allgenugsamkeit der Heiligen Schrift glaubt, wird mit dem Psalmisten ausrufen: „Wie liebe ich dein Gesetz! Es ist mein Sinnen den ganzen Tag“ (Ps 119,97). Wer das Gesetz liebt, der sinnt darüber nach, Tag und Nacht. Daher solltest du die Schrift studieren und dein Denken und Handeln von ihr prägen lassen. Wo es notwendig ist, solltest du Gewohnheiten ablegen, die unbiblisch sind, und dir neue Gewohnheiten aneignen, die biblisch sind. Möge das Wort Gottes daher reichlich in dir wohnen, damit Gott der Vater in allem verherrlicht wird, durch unseren Herrn Jesus Christus (Kol. 3,16-17).

ein Artikel von Richard Friesen, Pastor der EBC Waiblingen


[1] Benedikt Peters – Inspiration und Autorität der Bibel (EBTC, 1. Auflage 2014), S.79